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Schwarz-Weiß-Denken ist schlecht. Aber so einfach ist es nicht.

Wir teilen die Welt gerne in zwei Hälften: schwarz und weiß, gut und schlecht, richtig und falsch. Bei Diskussionen über brisante Themen rühren wir uns nicht, auch wenn wir mit Gegenbeweisen konfrontiert werden. Schwarz-Weiß-Denken hatte mal einen Zweck, doch heute ist es sehr gefährlich geworden. Was ist eine Welt ohne neue Erkenntnisse? Ohne Inspiration von der Opposition? Sie ist schlecht. Schwarz-Weiß.

Doch es gibt einen Weg, den Geist der Menschen zu öffnen und mehr Sinn in Diskussionen zu finden. Lerne den Binary Bias kennen und wie du ihn überwinden kannst. Sprechen wir über die Welt, wie sie ist: komplex.

Binary Bias: „Das ist schlecht. Das ist gut.“

Als Bias bezeichnen wir es, wenn wir Menschen Fehler in unserem Urteil machen oder unser Denken verzerrt ist. Wie kommt das zustande? Wir verarbeiten Informationen blitzartig und kommen zu bestimmten Schlussfolgerungen.

Das machen wir nicht bewusst:

In uns tickt immer noch dieses primitive Uhrwerk. Wie so oft, munkelt man, dass es uns beim Überleben geholfen hat.

Unsere Vorfahren mussten schnell auf die Bedürfnisse der Umwelt reagieren, um zu überleben. Sie waren gezwungen, Säbelzahntiger sofort zu bewerten und sich für eine Reaktion zu entscheiden.

Säbelzahntiger, schlecht. Speer, gut, weil vernichtet schlecht.

Der Mechanismus ist auch heute noch in uns vorhanden. Er veranlasst uns oft dazu, die Welt zu vereinfachen. Studien vermuten, dass Binary Bias wie eine Abkürzung ist, durch die wir große Mengen von Informationen so schneller verarbeiten können. Für unser Denken und unseren Austausch mit Andersdenkenden ist das fast so fatal wie ein Urzeit-Raubtier.

Der Binary Bias dieses Schwarz-Weiß-Denken geht nämlich über das einfache Bedürfnis hinaus, bei der Entscheidungsfindung Zeit zu sparen.

Ich denke (anders), also bin ich (im Recht)

Denk an Hollywood: der ewige Kampf gegen gut und böse. Oder unser Denken, dass man im Leben Erfolg hat oder scheitert. Oder dass alles, was wir im Internet lesen, entweder wahr oder falsch ist. Doch wir machen den Fehler, indem wir alles bewerten müssen.

Markus Aurelius lehrt uns: gut und böse existiert nicht. Was existiert, existiert einfach. Wir sind Teil einer immer wechselnden Welt und was wir als ‘gut’ und ‘schlecht’ bezeichnen ist, ist nicht Realität, sondern unsere Bewertung der Dinge.

Verlassen der Grauzone

Eine Folge von Schwarz-Weiß-Denken ist, dass wir nach Dingen suchen, die das bestätigen, was wir bereits für wahr halten, und dass wir zunehmenden fremde Meinungen ablehnen, wenn wir sie überhaupt antreffen (Danke Facebook).

Wir erkennen weniger die Nuancen, denken weniger in Grauzonen, sondern in Schwarz und Weiß. Es macht vieles einfacher. Aber die Realität ist ein wenig komplexer.

Kleine Reflexion: Wo hast du starke Positionen?

Wie stehst du zum Thema Abtreibung? Bayern München? Lakritze? Donald Trump?

Adam Grant schreibt in seinem Buch „Think Again!“, dass wir dem Binary Bias unterliegen, wenn wir fest von unserer Meinung überzeugt sind, wir dabei bleiben, selbst wenn wir mit Widersprüchen konfrontiert werden.

Eine Diskussion, die nur zwei Kategorien kennt, richtig und falsch, kennt keine Gewinner. Da sind zwei Kämpfer. Und beide verlieren.

Auch Wissenschaftler, Journalisten und Wissensarbeiter unterliegen dem Bias, wenn sie Informationen einfach aufbereiten.

Ich verstehe warum: Wir leben in einer Zeit, in der wir selektiv mit unserer Wahrnehmung umgehen müssen. Langweilige und komplizierte Dinge werden herausgefiltert. Wenn Menschen Wissen präsentieren, dann haben sie Bedenken, Erkenntnisse mit Widersprüchen zu präsentieren, um niemanden zu verwirren und um selbst nicht als Unwissender gebrandmarkt zu werden.

Tatsächlich weckt es aber Interesse und schafft Vertrauen, wenn komplexe Themen mit Unsicherheiten garniert werden.

Schwarz: Kaffee-Konsum kann schädlich für das Gehirn sein

Weiß: 5 Gründe, warum Kaffee gut für das Gehirn ist

Grauzone: Kaffee-Studie gestern: Es ist gesund. Heute: Es ist unklar.

Wie können wir Schwarz-Weiß-Denken bekämpfen?

Nach Adam Grant können wir dem Schwarz-Weiß-Denken entgegenwirken, indem wir erkennen, dass alle Ansichten sich entlang eines Spektrums orientieren. Es gibt nicht nur Klimaaktivisten und die, die es ablehnen:

beunruhigt – besorgt – vorsichtig – unbeteiligt – zweifelnd – abweisend

Forscher haben auch entdeckt, dass Menschen offener in Diskussionen sind, wenn sie erkennen, dass ein Problem komplex ist und nicht nur aus zwei gegensätzlichen Positionen besteht.

Was hilft, die Positionen in Diskussionen aufzuweichen:

  • Erkenne die validen Punkte deines Gegenübers an
  • Frage um Erlaubnis, deine Ansichten zu präsentieren.
  • Findet Gemeinsamkeiten
  • Denke: Diese Diskussion ist ein Lernprozess und meine Meinung ist nicht die einzige Wahrheit

Was auch gegen Schwarz-Weiß-Denken hilft: Lerne zu lernen und widme dich dir unbekannten Themen. Hier erfährst du, wie du in kürzester Zeit zum Ultralerner wirst.

Schwarz-Weiß-Denken ist menschlich

Nachdem ich Grants Buch gelesen habe, habe ich viele Glaubenssätze, Meinungen und Positionen aufgeschrieben. Dabei habe ich festgestellt, dass ich beim Aufschreiben bereits angefangen habe, die harten Positionen aufzuweichen. Vielleicht hilft es dir ja auch. Frage dich (und gerne auch andere):

Worüber hast du eine starke Meinung?

Was für Belege bräuchtest du, um die Meinung zu ändern?

Wann hast du das letzte Mal umgedacht und warum?

Wenn das für dich unbequem ist: Super, dann hast du mit dem Umdenken angefangen.